Katalog zum Anlaß der Ausstellung „Zehn von Hundert“ zum Jubiläum der BASF-Kunstausstellungen,
29. Oktober - 24. November 1995, Ludwigshafen
teilnehmende Künstler: |
Gerardo Delgado |
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Jan Fabre |
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Ritzi Jacobi |
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Tina Juretzek |
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Via Lewandowsky |
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Ian McKeever |
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Olaf Nicolai |
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Alessandro Papetti |
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Heinz Pelz |
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Manfred Schling |
Vorwort von Peter Anselm Riedl
Zehn Jahre BASF-Kunstausstellungen
[…] Denkt man allerdings an die bildende Kunst, so verengt sich die Zeitperspektive. Ausstellungen
zeitgenössischer Malerei und Plastik gibt es im Foyer des BASF-Feierabendhauses erst seit 1985, allerdings
in solcher Zahl und von solchem Gewicht, daß sich heute, zehn Jahre später, ein Rechenschaftsbericht in
besonderer Form anbietet. Am Anfang der Aktivität standen Einzelausstellungen so bekannter Künstlerinnen
und Künstler wie Ritzi Jacobi, Peter Jacobi, Tina Juretzek und Norbert Tadeusz. Von 1987 an wurden in
Zusammenarbeit mit Gastkuratoren zwei Ausstellungsreihen begründet: Die eine stellt junge Absolventinnen
und Absolventen einer deutschen Akademie vor, so zum Beispiel Berlin, Nürnberg, Dresden, Karlsruhe, Leipzig
und Frankfurt am Main; die andere präsentiert Künstler aus Ländern, in denen BASF wirtschaftiche Schwerpunkte
hat; bisher waren das Brasilien, Spanien, Großbritannien, Frankreich, Italien (Mailand) und Belgien (Antwerpen).
Die BASF-Kunstausstellungen haben die doppelte Aufgabe, junge Begabungen zu fördern und das Freizeitangebot des
Unternehmens um die Offerte zu vermehren, unterschiedliche bildnerische Äußerungen aus unserer Zeit kennenzulernen
und damit Kunst nicht als etwas historisch Abgeschlossenes, sondern sich aktuell Ereignendes zu erfahren.
[…]
Die Ausstellung anläßlich des zehnjährigen Jubiläums dieser BASF-Veranstaltungsreihe, um auf den Anlaß dieser
Zeilen zurückzukommen, will an Gezeigtes anknüpfen und zugleich Wiederholungen vermeiden. Sie konzentriert sich
auf zehn der bislang gezeigten einhundert Künstlerinnen und Künstler und umfaßt ausschließlich Werke, die erst
nach -den jeweiligen Ausstellungen entstanden sind. Individuelle Entwicklungen lassen sich also bis in die Gegenwart
verfolgen. Andererseits ergibt die Zusammenschau ein reichfacettiertes Bild aktueller Tendenzen, das keineswegs
nur vom Rückverweis auf früher Dargebotenes lebt. Wenn man der Auffassung ist, daß Kulturförderung ein Dienst an
der Gemeinschaft ist - und an dieser Auffassung wird in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit wie der unseren oft
genug Verrat geübt -, dann kann man die Ausstellung »Zehn von hundert« nur als einen weiteren Beweis für das große
soziale und kulturelle Engagement des Unternehmens BASF begrüßen, ein Engagement, das nicht nur den eigenen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern der ganzen Rhein-Neckar-Region zugute kommt.
Text von Hans-Jürgen Buderer
Material und Farbe
Manfred Schling
"Sprache und Schrift der Schingschen Bilder sind keine anderen als die ihrer Materialien, indem aus ihnen das
Bild hergestellt wird, werden zugleich sie zum Sprechen gebracht "
Rolf Tiedemann trifft mit dieser Charakterisierung der Gemälde von Manfred Schling in seinem Katalogbeitrag für
die Ausstellung der Werke des Künstlers im Galeriegebäude der Villa Stuck, München 1984, den bis heute gültigen
programmatischen Kern des bildnerischen Selbstverständnisses dieses Künstlers. 1987 gehörte er zu den zwölf Stipendiaten
der Berliner Karl-Hofer-Gesellschaft, die im BASF-Feierabendhaus ihre Werke zeigen konnten. Seine frühen Arbeiten
sind bestimmt von der Integration von »banalen Fundstücken« wie Lumpen, Lappen Papieren ..., mit denen Schling auch
eine zivilisationskritische Inhaltlichkeit in seinen bildnerischen Aussagen intendierte. Aber so sehr auch die eher
düstere und bedrohliche Atmosphäre der Gemälde von diesen Materialien mitbestimmt wurde, primärer Träger der Stimmung
war auch schon in diesen frühenn Werken das originäre gestalterische Material des Malers, die Farbe. Sie nimmt in den
neuesten Arbeiten eine so bestimmte Stellung ein, daß die Entwicklung des Künstlers als ein Weg zurück zum bildnerisch
gestalterischen Ausgangsmaterial Farbe zu beschreiben ist. Wenn Schling heute der Farbe andere Materialien beimischt,
beispielsweise eine pastose Masse aus Quarzmehl und Bindemittel, dann kommt diese materiale Paste nicht in ihrer
gestalterischen Eigensprachlichkeit zur Wirkung, weder mit einer kritischen inhaltlichen Aussage noch mit ihren
materialästhetischen Ausdrucksmöglichkeiten. Sie dient allein der Modifikation und Steigerung des eigentlichen bildnerischen
Anliegens, der Evokation der Ausdruckskraft und Sprachlichkeit der Farbe, und der durch sie formulierten Aussage.
Nicht nur, daß die mit Farbe durchtränkte Masse auf der Leinwand variierende Zentren farblich-materialer Dichte ausbildet,
gleichsam der Tonalität eines Rot, eines Schwarz oder eines Blau eine geradezu greifbare Materialität vermittelt, sie trägt
auch dazu bei, die Farbe facettenreich zu modulieren. Die Oberfläche rauht sich auf, wird porös und erhält eine bewegte
Struktur, die sich der farblichen Wirkung mitteilt. Der Farbklang wird modifiziert, das Spektrum reicht von kompakter
geschlossener Dichte bis hin zu leichten schleierartigen geradezu impres-sionistischen Nebeln, die einander durchgreifen
und das farbige Geschehen vom Bild zu lösen scheinen. Der Farbklang verströmt in den Umraum des Betrachters. An anderer
Stelle bricht das Material in Kerben auf, zeigt Narben und Risse, die einerseits durchaus als Momente der Zerstörung und
Deformation erlebt werden, die andererseits aber die Materialhaftigkeit der Farbe unterstreichen, ihre Körperlichkeit und
lebendige visuelle Ausdehnung. In dem bedrohlichen Moment der Zerstörung, der Zerkarstung und Verletzung liegt gleichsam
auch eine gestalterische Dimension der Farbe beinhaltet.
Diese Polarität bestimmt auch die in den Farbräumen der Bilder entwickelten Gegenstände. Zunächst sind es unbestimmbare
Bewegungen, die von den Rändern her gewaltsam in die Farbe eindringen, sie gleichsam aufreißen und dunkle Felder und
Zonen in vorgegebenen Farbräumen ausbilden Als monolithartige Blöcke lassen sie sich in anderen Bildern beschreiben,
Körper, die einzeln oder auch paarweise sich in dem Farbfeld behaupten. Sie haben etwas Geheimmnisvolles und Bedrohliches,
das in ihrer Unbestimmbarkeit, aber auch in ihrer Düsternis begründet liegt.
Die Gegenstände, die Schling in seinen Gemälden zur Darstellung bringt, sind aber nicht allein als Träger geheimnisvoller
Botschaften zu verstehen. Die erzählerischen Elemente, die wie bedrohliche magische Zeichen dem Betrachter sich entgegenstellen,
werden nicht allein zur inhaltlichen Bestimmung der Situation als von Magie und Geheimnis bestimmt, verwendet. Der Künstler
nutzt sie auch als gestalterische Mittel zur Steigerung und Dynamisierung des auf der Fläche entwickelten Farbraumes. Zunächst
bilden sie als „geschlossene“ Formen den visuellen Gegenpol zu dem „offenen“ Verströmen der Farbe. Sie kennzeichnen das Moment
der materialhaften Verdichtung der Form gegenüber der atmosphärischen Raumhaftigkeit der Farbe Dann aber dienen sie auch dazu,
die Tonalität der Farbe, ihre bildnerisch-gestalterische Eigensprachlichkeit durch diese Gegenüberstellung zu steigern. Die
Dunkelheit und Bedrohlichkeit der Form stellt sich der bewegten und hellen Farbigkeit des Bildfeldes entgegen. Ein Spannungsfeld
wird aufgebaut, das die bildnerische Ausdruckskraft der Farbe, das Rot, das Blau, das Gelb oder das Weiß des Bildfeldes dynamisiert.
Immer wieder brechen die Formen auch auf und nehmen die farbige Konsistenz des Umfeldes auf, scheinen die Dinge ihre Konturen
aufzulösen und Teile der von ihnen umschriebenen Form nehmen die farbige Materialität und Tonalität des Farbraumes an. Es sind
keine Reflexionslichter, die sich auf der Oberfläche der Gegenstände abspiegeln. Das farbige Licht dient nicht zur Modellierung
der Formgestalt der Dinge, sondern es dringt in sie ein als die neue Materialität ihrer Gegenständlichkeit. Der monolithe Block
oder die Architektur bleiben in ihrer Form erhalten, nehmen aber eine veränderte Materialität an, die Farbigkeit ihres Umfeldes,
in dem sie in Erscheinung treten. In diesem Sinne bringen die Bilder Manfred Schlings ihre Materialien zur Sprache; eine Sprache,
deren Medium nichts anderes ist, als das Material des Malers, die Farbe.