Rückkehr zum Tachismus
Neue Bilder von Manfred Schling bei Wewerka
Neben dem Rückblick junger Maler auf den Expressionismus beginnt sich - parallel
zu kunsthistorischer Besinnung auf die sechziger Jahre - eine künstlerische
Wendung zu informeller und tachistischer Malerei abzuzeichnen. Der Renaissance
ungestümer gegenständlicher Malerei scheint eine Gegenbewegung zu folgen, ein
Anknüpfen an gestisch geprägte, zuweilen lyrische Ungegenständlichkeit. Bescheiden,
gelegentlich mit ehrfürchtiger Verbeugung vor häufig großtuerisch daherpreschender
jüngster wilder Kunst tritt die neueste Neo-Kunstrichtung auf. So wird Manfred
Schling, ein mit zurückhaltenden und gedeckten Farben arbeitender Maler, als ein
in erster Sicht enttäuschender Künstler vorgestellt, schließlich vollbringt er,
heißt es, keineswegs Kraftakte von Farben und Formen", führt keinen dramatischen
Eklat" herbei und malt "scheinbar monoton". Letztlich jedoch, wird erklärt, Jüllt
sich der Blick mit Zuneigung" für des Ausstellers Bilder, die kaum "spektakulär",
sondern "still" auftreten.
Tatsächlich erscheint Wildheit auf ihnen nur als bedächtige, sparsame Gebärde.
Und zweifellos hebt sich Schling, nun Mitte dreißig, von Malern, die mit grellfarbenen,
lautstarken Bildern von sich reden machen, augenfällig ab. Aus Bad Salzuflen
nach Berlin gekommen, hat er an der Hochschule der Künste bei Fred Thieler studiert,
wurde Meisterschüler und auch Hofer-Stipendiat. In Gruppen- und auch Einzelausstellungen
legte er bereits Arbeiten vor, jetzt zeigt er größere und kleine Stücke aus den
vergangenen zwei Jahren. Leicht gekrümmt ziehen schwarzdunkle Streifen wie lyrische
Diagonalen über die Leinwand, lassen Wirbel und sich verhalten abzeichnende farbige
Wellen entstehen. Gebündelte Striche drängen kometenartig über den Farbgrund,
schieben aufleuchtende pilzartige Wolken vor sich her. Aus bläulichgrünen, ockerbraunen
und erdigen Farben bilden sich sacht atmosphärisch bewegte Felder, die Räumlichkeit
und Weite gewinnen, gelegentlich sogar architektonische Formen annehmen. Schling
versteht es, empfindsam Farben einzusetzen und umsichtig zu nutze. "Aufbruch" und
"Landwärts" strebende Merkmale zeichnen sich ab, die "Nach Bimini" und zum "Säulengarten"
führen.
Einer Schar von Thieler-Schülern, die einst zu genauester Beobachtung und kritischem
Realismus drängte, folgen nun offenbar junge Maler, die zur informellen Kunstweise
ihres Lehrers neigen. Als Spuren von Begegnung und Bewegung zeigen sich auf grauen
Papieren Schlings kleine, schwarze Schwünge. "On the Road" und "Prophet" heißen Blätter,
die mit gestischen, zum Skripturalen weisenden Zügen aufwarten. Der Aussteller gehört
zu den Jüngeren, besonnenen, in sich gekehrten informellen Künstlern, die eher meditierend
als herkulisch erregt ihre Arbeit aufnehmen. Nur einmal, vor einer großen, zwei Meter
breiten Leinwand, ging ihm künstlerische Contenance sichtbar verloren. Nervös bedeckte
er ockerfarbenen Grund mit gekritzelten Strichen, setzte mit breitem Pinsel luftig wirkendes,
aufstrebendes Blau davor und ließ die untere Fläche - nur spärlich betröpfelt -
weitgehend leer. Nicht gerade beachtlich gedieh ihm das beliebte Malspiel mit roher,
unbearbeiteter Leinwand, zu wirksamen Stücken führte ihn bisher verläßlicher gedämpft,
sich bedächtig ausbreitende Malerei. Hier liegt das Feld, dem seine eigentlichen informellen
Ansichten entsprießen, die dann sogar, wie es heißt, Blicke aufmerksamer Betrachter mit
Zuneigung zu trüben vermögen (Wewerka Gallery, Fasanenstraße 41a, bis 2. März; Dienstag
bis Freitag 14 Uhr 30-18 Uhr 30, Sonnabend 10-14 Uhr, Eintritt frei, Katalog 20DM).
Werner Langer