1992 – Blau, somnambul

Lucien Kayser, Carnet Culturel, in Letzeburger Land, 31.01.1992

Blau-Somnambul II Der Titel dieser Leinwand, die den Besucher bei seinem Eintritt in die Ausstellung von Manfred Schling an der Galerie la Cité (bis zum 8. Februar) empfängt, drückt mit Sicherheit die dominierende Tonalität aus. Der Zustand, oder das Gefühl das er ausdrückt, scheint mir noch charakteristischer, noch sinnreicher. In der Tat, betritt man wie ein Schlafwandler die bildliche Welt dieses Berliner Künstlers der nun schon zum dritten Mal in Luxemburg ausstellt, weil die Wirklichkeit in ihr sosehr ihre eindringliche Präsenz verloren hat. Sie ist evaneszent geworden, durchsichtig, als ob man sie nur noch durch Nebelschwaden oder durch feine Maschen eines Schleiers wahrnähme. Aber um zugleich das Dynamische und Lebendige in Manfred Schling’s Bildern zu zeigen, sei betont das es in ihnen auch weite Wellen gibt, die sich ausbreiten, Dinge bedecken, und Sand aufwirbelnde Windstöße. Und vielleicht hinterlassen diese oder jene geradezu neue Parzellen der Wirklichkeit auf der Leinwand. Mehr oder weniger skulpturale, oder architekturale Objekte machen ihre Erscheinung, nur ihre Konturen sieht man klarer; es kommt vor dass Silhouetten auftauchen aus welchen Tiefen. Da wo die Szene (denn darum handelt es sich ja auf diesen Leinwänden durchlaufen von einer langen Kurve, mit einem abgelegenen, vom Himmel abgelösten Horizont) leergelassen bleibt, kann man sich vorstellen dass sie nur momentan so ist, und nur darauf auf die Götter oder Helden wartet, die Wagner einst in einen ebensolchen kosmischen Dekors gestellt hat. Anderswo, tendiert die Atmosphäre von selbst zu mehr Dramatik. Wirklichkeiten aller Art die die Bilder von Manfred Schling ansprechen (in jedem Sinn des Ortes, sie bringen sie durch Bilder in Erscheinung, sie berufen sie durch Magie). Aber die erste, die vorrangige Wirklichkeit um die es geht, ist die Malerei selber, oder, genauer ausgedrückt, das bildliche Material, in seiner Konsistenz und Leichtigkeit zugleich, seiner Intensität und seinem Funkeln, seiner Kraft und seiner Brüchigkeit bis hin zu seiner Gesundheit und seine Verwundbarkeit, so lebendig ist es. Die Tatsache, dass Manfred Schling’s Bilder zur Meditation anregen und zu einer quasi metaphysischen Meditation über das Dasein der Dinge führen, erhöht unsere (rein ästhetische) Freude und gibt ihr eine weitere Dimension.