Katalog zum Anlaß der 10 Jahre Avantière Aachen im Alten Kurhaus, 1996, Aachen
teilnehmende Künstler: |
Riera i Aragó |
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Ha Webw |
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Peter Lacroix |
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Jupp Linssen |
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Aloys Rump |
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Manfred Schling |
Text von Ralf Kuischewskij
Der AVANTIERE zum zehnjährigen Bestehen
Der progressive Titel läßt auf eine tatkräftige Formation welterobernder junger Leute schließen. Soll doch
die forsche Kontraktion aus Avantgarde und frontière optimistisch signalisieren: hier tritt eine Vorkämpferschaft
auf und will bestehende Grenzen überschreiten - "Avantière". Ganz gewiß tragen die so benannten Ausstellungen
von Gegenwartskunst ihren Namen zu Recht, dennoch ist die künstlerische Absicht, die diese trägt, entschieden
weniger martialisch - und schon gar nicht irgend aggressiv. Vor just zehn Jahren von dem Aachener Maler und
Graphiker Hans-Werner Berretz gegründet, verbirgt sich hinter der dynamischen Bezeichnung keineswegs eine
geschlossene Gruppe, und trotzdem wird unter dieser programmatischen Devise ein Anspruch verwirklicht, der dem -
langezeit inkognito und distanziert gebliebenen - Beobachter schließllich den größten Respekt abfordert. Mit
stets anderen Beteiligungen und an wechselnden Ausstellungsorten hat Berretz über das Dezennium hinweg eine
beeindruckende Kontinuität in der Sache und einen hohen Grad an künstlerischer Konsistenz erreicht.
Zeitgenössische bildende Künstler aller Sparten und der verschiedenen Nationalitäten - man lese nur die Namen
einiger Teilnehmer mit Bedacht: Mary Bauermeister, Huub Bruls, Michel Carrade, Chuck Collings, Yaacov Dorchin,
Mikhail Koulakov, Peter Lacroix, EI Loko, Tatsuhiko Yokoo -, jeweils zeitweise zusammengeschlossen zu Präsentationen
in nah (Eschweiler, Aachen) und fern (Berlin, Wattrelos/Lille, mehrorts in Japan), ergaben inhaltliche und formale
Kontrastierungen und Korrespondenzen von wahrhafter Internationalität. Eine beinahe gänzlich private Initiative,
die mit bescheidensten Mitteln auskommen mußte: So hatte der Bildhauer Riera i Aragó bereits 1992 dabeisein sollen,
doch waren die Transport- und Versicherungskosten für seine Werke damals nicht zu tragen gewesen. Umso erfreulicher,
daß der inzwischen Berühmte nun mit seiner Teilnahme im Kreise von vier deutschen Künstlern im doppelten Sinne,
als Plastiker wie als Katalane, den grenzüberschreitenden Charakter des Unterfangens gewährleistet. Und eine
erfolgreiche Initiative dazu: bei den Ausstellungen in der Aula Carolina wurden regelmäßig bei vierzehntägiger
Dauer 7- 10. 000 Besucher gezählt. Die Jubiläumsausstellung macht überdies noch ein Moment, das schon früher kaum
zu übersehen war, mit Nachdruck klar: die Avantière-Ausstellungen sind keine bunten Versammlungen des gerade Verfügbaren
oder kurzlebiger Modeerscheinungen. Das Prinzip der persönlichen Einladung zeitigt ein - natürlich intendiertes -
Ergebnis. Bei aller je eigenen künstlerischen Individualität ist nämlich zwischen den Beteiligten - mehr oder minder
jedenfalls - ein innerer Zusammenhang feststellbar, der keiner Gruppenorganisation bedarf. Dieser fundamentalen
Gemeinsamkeit auf die Spur zu kommen, sollen die folgenden Sätze dienen.
[…]
Doch!- Die Bilder Manfred Schlings sind "reine Gemälde". Oder? Bei genauerem Hinsehen findet man zwischen den
Farben mancherlei Partikel unterschiedlichster Art. Die auf einen Quarzmehlgrund aufgetragenen Öl- und Dispersionsfarben
wurden flächenweise wieder ausgewaschen; die Bildgegenstände - kaum daß ihre Konturen sich einigermaßen abgezeichnet
hatten: Ein Horizont, ein Kasten, die "Kaaba", ein Kopf - ziehen sich wieder in den Untergrund, in die Tiefe einer
universellen Materie, ins Unfaßliche zurück. Die existentielle Ungewißheit des Menschen angesichts der Wirklichkeit -
des Malers produktiver Zweifel am Bild.
[…]